Patientenorientierte Versorgung in der Radiologe

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Empathie ist der Schlüssel

„Patienten wünschen sich eine persönliche Beziehung zu ihrem Arzt, eine problemlose Kommunikation und, vor allem, Empathie.“1

James Rickert, M.D., Orthopäde, Befürworter der patientenorientierten Gesundheitsversorgung

In der Vergangenheit haben sich die meisten Ärzte, einschließlich der Radiologen, typischerweise eine gewisse Objektivität erhalten – denn sie sind der Meinung, dass sie keine wirksame Versorgung mehr gewährleisten können, wenn sie die Distanz zu ihren Patienten verlieren und deren Emotionen teilen.

Wenn wir aber die Definition der patientenorientierten Versorgung, die im ersten Blogeintrag dieser Serie etabliert wurde, als eine Philosophie annehmen, bei der sich alles um den Patienten dreht mit Respekt gegenüber den individuellen Gefühlen, Bedürfnissen und Vorlieben jedes einzelnen –, dann wird eine rein klinische Arzt-Patienten-Beziehung darunter nicht leiden. Eine wirklich patientenorientierte Radiologie erfordert echte Empathie – das Sehen und Fühlen der Situation aus der Perspektive des Patienten.

Dies lässt sich nur durch eine starke menschliche Verbindung zwischen dem Patienten und dem Arzt erreichen. Wie Mark S. Lerner, RT, Division Director of Radiological Operations am George Washington University Hospital in Washington, D.C., sagt: „Es ist unmöglich, sich ausschließlich auf den Patienten zu konzentrieren, ohne dabei aus dem Muster auszubrechen, in dem Patienten als „das Thorax-Röntgenbild“ oder „das Leber-CT“ betrachtet werden. 2

Mit anderen Worten: klinische Distanz ist nicht immer positiv.

Dies wird in dem Film „Der Doktor – Ein gewöhnlicher Patient“ von 1999 anschaulich dargestellt. William Hurt spielt hier einen distanzierten und egozentrischen Arzt, der auf seinem Gebiet ist eine absolute Koryphäe ist – brillant, objektiv und von seinen Kollegen hoch gelobt. Aber seine Patienten nehmen ihm sein gefühlloses und gleichgültiges Verhalten übel. Nachdem er einen bösartigen Tumor an seinem Kehlkopf entdeckt und selbst ausweglos erkrankt ist, reagiert er schockiert und entsetzt, als er nun selbst die klinische Gefühllosigkeit gegenüber seinem Schmerz und seiner Angst erleben muss.

Die Geschichte hat jedoch ein Happy End. Der Arzt erholt sich und ihm wird bewusst, was für eine bedeutenden Rolle die Empathie spielt, nachdem er eine Weile selbst in der Situation seiner Patienten war. Er wird zu einem deutlich einfühlsameren, mitfühlenderen und erfolgreicheren Arzt.

Lektionen für die reale Radiologie

Diese Lektion muss laut Jennifer Kemp, MD und Radiologin in einer Privatpraxis mit unterschiedlicher Radiologie in Colorado, auch im echten Leben gelernt werden. Dr. Kemps Ansatz in der Radiologie hat sich drastisch verändert, nachdem bei ihrem Ehemann Krebs diagnostiziert wurde. „Ob ich ratlos war? Ich war wahrscheinlich naiver, als die meisten Radiologen.“, so Kemp. „Einmal auf der anderen Seite der Medizin zu stehen, hat mir dabei geholfen, empathischer zu werden.“3

Auf Basis dieser Erfahrung hat Dr. Kemp einige wertvolle Ratschläge für Radiologen, die im Blogeintrag „Die Förderung der patientenorientierten Versorgung in der Radiologie“ von Januar 2017 des Physician Practice Blog veröffentlicht wurden. Unter ihren Empfehlungen finden sich auch die folgenden – von denen alle mit der Kultivierung des Sinnes für Empathie beginnen:

  • „Während jeder Radiologe nur zu gut weiß, dass die Ergebnisse der diagnostischen Bildgebung manchmal unklar sein können, wünschen sich Patienten eine klare Diagnose ihres Zustands. Wenn das nicht möglich ist, müssen die Gründe hierfür möglichst einfach und unkompliziert erläutert werden. In jedem Fall sind so viele spezifische Informationen wie nur möglich mitzuteilen.
  • Einige Radiologiepatienten haben verständlicherweise Angst vor den Ergebnissen ihrer Röntgenaufnahmen. Dies kann ein aggressives, irrationales oder anderweitig schwieriges Verhalten auslösen. Versuchen Sie, daran zu denken, dass das Verhalten der Patienten von deren Angst verursacht wird und tun Sie Ihr Bestes, dieses Verhalten nicht persönlich zu nehmen. Denken Sie auch daran, dass Angst tatsächlich auch die Ergebnisse beeinflussen kann – den meisten ist das Phänomen des sogenannten „Weiß-Kittel-Hochdrucks“ bekannt.
  • Damit Patienten mit ihren Emotionen besser umgehen können, sollten Sie sie immer auf dem aktuellen Stand halten – selbst bezüglich kleiner Probleme, wie einer Verzögerung in Ihrer Einrichtung, die die bildgebende Untersuchung nach hinten verschieben könnte. Lassen Sie Ihre Patienten nicht einfach besorgt im Wartezimmer sitzen.
  • Patienten möchten Ihre Erläuterung ihrer Untersuchung möglichst schnell hören. Bemühen Sie sich, Ihre Ergebnisse und die nun folgenden Schritte klar und deutlich zu formulieren. Nehmen Sie sich ein paar Minuten Zeit für ein eingehendes Gespräch bezüglich ihrer Versorgung.“4

Dies sind alles ausgezeichnete Punkte. Aber so wichtig das, was Sie sagen für Ihre Patienten auch ist, ist ihnen zuzuhören noch viel wichtiger. Obwohl sich leicht annehmen lässt, dass die meisten Ärzte genau dies tun, sagt die Studie etwas anderes aus. In einem in „The Annals of Internal Medicine“ veröffentlichten Bericht, fand der Forscher Howard Beckman, M.D, während seiner 74 Praxisbesuche Folgendes heraus:

  • Nur 17 (23 %) der Patienten durften ihre erste Aussage bezüglich ihrer Sorgen vollständig aussprechen.
  • Bei 51 (69 %) Besuchen unterbrach der Arzt die Aussage des Patienten und lenkte das Gespräch auf ein anderes Thema.5

Dr. Beckmann schließt daraus, dass potenziell wertvolle Diagnoseinformationen verloren gehen, wenn Patienten ihre Symptome nicht beschreiben und Bedenken nicht äußern dürfen.

Das Licht am Ende des Tunnels

Trotz allem haben wir erhebliche Fortschritte gemacht. Noch vor nicht allzu langer Zeit hatte nur eine kleine Minderheit der Patienten überhaupt irgendeine Art von direktem Kontakt zu einem Radiologen. Heute kann man hier einen Wandel erkennen, da immer mehr Radiologen das Modell der patientenorientierten Versorgung annehmen und „aus dem Dunkel treten“ um mit ihren Patienten zu interagieren. Dabei ist wichtig, dass sie spezifische Strategien übernehmen. Hierzu zählt:

Die Optimierung des ersten Eindrucks

Wenn neue Patienten an Sie überwiesen werden und Ihre Praxis zum ersten Mal betreten, sollten Sie alles tun, was möglich ist, um ihnen einen positiven ersten Eindruck zu verschaffen. Erwägen Sie, Ihren Mitarbeiter am Empfang darauf zu schulen, jeden Eintretenden mit einem warmen Lächeln und Augenkontakt zu begrüßen. Bitten Sie ihn, dem Patienten seine volle Aufmerksamkeit zu schenken und mit einer Begrüßung wie folgt zu empfangen:

„Guten Morgen, Frau Braun. Wir freuen uns, dass Sie heute für Ihre Untersuchung zu uns kommen – wir werden unser Bestes geben, um Sie optimal zu betreuen.“

So wird sich Frau Braun von der ersten Sekunde an geschätzt und gut aufgehoben fühlen. Natürlich möchten Sie, dass auch wiederkehrende Patienten mit derselben Wärme und persönlichen Aufmerksamkeit begrüßt werden.

Die Einbeziehung aller Mitarbeiter

Jeder einzelne in Ihrer Praxis – vom Mitarbeiter an der Rezeption über die Arzthelferinnen bis hin zu den MTRAs – müssen zu echten, empathischen und patientenorientierten Leistungsträgern werden. Sie können ihnen selbst Anweisungen geben, sie bei formellen Schulungen anmelden oder idealerweise beides tun.

Beachten Sie jedoch, dass die Gewohnheiten, die Ihre Mitarbeiter im Laufe der Zeit entwickelt haben, Ihre patientenorientierten Ziele gefährden könnten. Es kann Wachsamkeit und viele Erinnerungen Ihrerseits erfordern, bis sich die neuen Verhaltensweisen etablieren. Die vielleicht beste Taktik ist, Ihren Mitarbeitern nicht nur zu erklären, wie patientenorientierte Pflege aussieht, sondern es ihnen auch zu zeigen. Geben Sie ihnen immer wieder Beispiele anhand Ihres eigenen Verhaltens.

Das Respektieren und Würdigen der Vielfalt

Im Laufe der Zeit werden Sie alle Arten von Patienten kennenlernen – Menschen, die sich in Herkunft und Ethnie, Religion, Alter, sexueller Orientierung, körperlicher Einschränkung uvm. voneinander unterscheiden. Zudem werden Ihnen zahlreiche Arten von Familien begegnen – verheiratete Paare mit Kindern, gleichgeschlechtliche Paare, alleinerziehende Elternteile uvm. Sie alle haben unterschiedliche Werte, Sorgen und Empfindlichkeiten. Was aber alle gemeinsam haben ist das Bedürfnis und der Wunsch nach Respekt. Sie müssen all diese Sorgen nachempfinden können.

Vor diesem Hintergrund sollten Sie in Erwägung ziehen, ein wenig Zeit zu investieren, um die kulturellen Einstellungen und Erwartungen der zahlreichen Menschen, die Ihren Patientenstamm bilden, eingehend zu studieren – auf diese Weise können Sie problemlos und angemessen mit ihnen kommunizieren. Wenn Sie in einer großen Organisation mit mehr verfügbaren Ressourcen praktizieren, können Sie möglicherweise sogar auf einen Übersetzungsdienst zurückgreifen, wenn Sie Patienten empfangen, die kein Englisch sprechen.

Ausreichend Zeit für die Versorgung

Wie die meisten Radiologen heutzutage stehen Sie unter einem enormen Zeitdruck – Sie sind ausgebucht, überlastet und maximal gestresst. Aber es könnte keine ungeeignetere Stelle geben, um zu versuchen, Zeit zu sparen, als die Gespräche mit Ihren Patienten. Wenn sie bemerken, dass Sie sich beeilen, um den Termin mit ihnen zu beenden und zum nächsten Patienten überzugehen, werden sie sich nicht wertgeschätzt oder gut versorgt fühlen – und Ihre patientenorientierten Bestrebungen lösen sich in Nichts auf. Daher sollten Sie sich, soweit es möglich ist, ausreichend Zeit nehmen, um Ihren Patienten ihre Untersuchungsergebnisse zu erläutern und auch Ihren Patienten Zeit einräumen, um Fragen zu stellen und ihre Bedenken zu äußern. Sie können Sie auch darum bitten, die von Ihnen genannten Informationen noch einmal zu wiederholen. Auf diese Weise können Sie sicher sein, dass Sie sich klar ausgedrückt haben.

Aufnahme der Patienten in das Versorgungsteam

Immer mehr Patienten möchten aktiv zu Ihrer eigenen medizinischen Versorgung beitragen, statt nur passiver Empfänger zu sein. Dieser Wunsch lässt sich leicht nachvollziehen, wenn Sie sich in ihre Lage versetzen – wer möchte nicht ein Mitspracherecht bei der eigenen Gesundheit haben? Die erste Möglichkeit, Patienten miteinzubeziehen, besteht in der wesentlichen Fähigkeit, zuzuhören, wenn sie ihre Situation und ihre Symptome beschreiben. Ziehen Sie keine voreiligen diagnostischen Schlüsse, solange Sie Ihre Patienten nicht bis zum Ende angehört haben. Auf diese Weise werden Sie sich als Teil des Teams fühlen, wodurch Sie wertvolle diagnostische Informationen erhalten.

Ein weiter Schlüssel ist das Einführen Ihrer Patienten in die Technologie der Bildweitergabe. MyVue von Carestream ist zum Beispiel ein Patientenportal, dass es Patienten ermöglicht, sich ihre Bilder und Untersuchungsberichte online anzusehen – ganz einfach und sicher. Sie können diese Bilder mit ihrer Familie teilen und sie an andere Ärzte oder Gesundheitseinrichtungen weiterleiten.

Darüber hinaus können Sie Patienten in Ausschüsse und Planungsinitiativen zur Verbesserung der Versorgungsqualität, Umgestaltung Ihrer Einrichtung für eine bessere Patientenfreundlichkeit uvm. aufnehmen.

Vergessen Sie sie nicht, nachdem Sie Ihre Praxis verlassen haben.

Stellen Sie nach dem Termin telefonisch oder per E-Mail eine Nachsorgeuntersuchung des Patienten in Ihrer Praxis sicher. Fragen Sie sie, wie sie sich fühlen, ob sich ihre Situation verbessert hat und ob sie mit ihrem Termin vollkommen zufrieden waren. Sammeln Sie Rückmeldungen zu Dingen, die Sie verbessern könnten. Den Großteil dieser Kommunikation können Sie von einem Mitarbeiter erledigen lassen, aber ein gelegentlicher, von Ihnen persönlich kommender Anruf zur Nachbesprechung wirkt Wunder, wenn es darum geht, dass Patienten sich wertgeschätzt und gut versorgt fühlen sollen.

Denken Sie vor allem an Folgendes: Es beginnt mit Empathie.

Die Zukunft im Blick

„Auch in den kommenden Jahren werden wir einen beschleunigten Wandel auf unserem Gebiet erleben.“ Wie Julie Ritzer Ross schon im Juni 2017 in einem Artikel des Blogs „Radiology Business“ schrieb: „Die patientenorientierte Radiologie und patientenorientierte Radiologiestrategien werden zweifellos auch in Zukunft in Erscheinung treten und sich weiterentwickeln, denn die Reform des Gesundheitswesens schreitet voran und ein immer besser ausgebildeter und hochengagierter Patientenstamm verlangt nach einer immer stärkeren Kontrolle über das eigene gesundheitliche Schicksal. Um in einem Zeitalter und einer Umgebung überleben zu können, wo Wertschätzung das Wichtigste ist, müssen Praxen und Krankenhäuser diese Strategien mit offenen Armen annehmen.“6

Welche Schritte haben Sie übernommen, um patientenorientierter zu werden? Ich freue mich auf Ihre Kommentare!

#ECR2018 #Radiologe

Klaus Erdbories ist Vice President of Global Medical Sales bei Carestream Health. Er besitzt 15 Jahre Erfahrung in Vertrieb, Produktion und Finanzen im Bereich medizinische Bildgebung. Er besitzt einen Executive MBA der IMD Business School.

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 Literaturnachweis:

1 //healthaffairs.org/blog/2012/01/24/patient-centered-care-what-it-means-and-how-to-get-there/

2 //imagingradiologyblog.wordpress.com/2017/06/27/how-radiologists-can demonstrate-value-by-putting-patients-first/

www.physicianspractice.com/rsna-2016/promoting-patient-centered-care-radiology

Ibid

//annals.org/aim/article/699136/effect-physician-behavior-collection-data

//www.radiologybusiness.com/topics/care-optimization/patient-centered-radiology-strategies-how-radiologists-can-demonstrate-value-putting-patients-first?page=0%2C2

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